Wohnungsnot und Schweinezyklus
Wohnungsnot und Schweinezyklus

Wohnungsnot und Schweinezyklus

In Deutschland fehlen Wohnungen, vor allem bezahlbare. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum steigt. Der Leerstand geht gegen Null. In diesem Zusammenhang wächst das Interesse an großen Wohnsiedlungen in den Innenstädten der Ballungsgebiete, in denen 8 Millionen Menschen in 4 Millionen Wohnungen leben. In den letzten Jahrzehnten stand der Mietwohnungsbau des 20. Jahrhunderts kaum im politischen Interesse. An dem (z.T. unberechtigten) schlechten Image großer Plattenbausiedlungen haben die Politik, Medien, aber auch Sachverständigenverbände beigetragen, in dem diese ständig mit sozialen Brennpunkten, besonders im Osten Deutschlands, in Verbindung gebracht wurden. Nunmehr soll lt. Bau- und Wohnungswirtschaft das große Potential verstärkt erneuert und weiterentwickelt werden, weil es für die soziale Wohnraumversorgung unverzichtbar ist.
Allein die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus europäischen Staaten, aus den USA oder China beträgt von 2012 bis Ende 2015 voraussichtlich 2 Mio. Menschen. Die aktuelle Flüchtlingswelle verschärft das Problem nur. Schon vor drei Jahren ermittelte das Pestel-Institut, dass vier Millionen „Sozialwohnungen“ im Land fehlen. 2015 sollen 260.000 Wohnungen im Geschosswohnungsbau hergestellt werden. Der Bedarf beträgt dagegen 400.000 Mietwohnungen und kann nur gedeckt werden, wenn diese in den nächsten acht bis zehn Jahren jährlich produziert werden. Bis jetzt ist finanziell ungeklärt, wie man Bedürftige mit bezahlbarem Wohnraum versorgen will. Entsprechend dem Schweinezyklus, nachdem ein Mangel erst beseitigt wird, wenn Nachfrage und Preise auf dem Gipfel sind, reagiert zuerst die Wohnungsbauindustrie. Die Politik reagiert erst, wenn das Kind schon lange in den Brunnen gefallen ist. Bis dahin spielt man Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Das Gegenteil von Schweinezyklus wäre übrigens Planwirtschaft im Sinne von staatlichem Einlenken oder Gegensteuern, aber schon der Begriff löst bei den Konservativen Panik aus. Dass der Markt für Wohnungsbau nach demselben kapitalistischen Prinzip funktioniert, wie der für Schweinefleisch, ist jedoch alles andere als sozial.
Die Wohnungsunternehmen fordern jetzt die Musterbauordnung zu überarbeiten, um in Deutschland Typenbauweise zuzulassen, wie man es aus anderen europäischen Ländern kennt. Z.B. baut man in Schweden seriell mit vorgefertigten Teilen, um Zeit und Kosten zu sparen. In der DDR hat man schon seit den 60ér Jahren große Plattenbausiedlungen gebaut, um ein soziales Wohnungsproblem zu lösen *. Heute will man nur keine Massensiedlungen am Stadtrand mehr, sondern individualisierte Wohnbausiedlungen in architektonisch, anspruchsvoller Bauweise. Dazu soll auch die Baunutzungsverordnung überarbeitet werden, um eine größere Nachverdichtung zuzulassen. Denn Wohnbauland ist so teuer, dass bezahlbarer Wohnraum darauf nicht realisierbar ist. D.h. anspruchsvollere Architektur geht dann zu Lasten der vorhandenen Wohnqualität, weil eine dichtere Bebauung offensichtlich nur auf Kosten der Grün- und Parkflächen geht, wie man es aus Wohnbausiedlungen der Gründerzeit kennt. Mit dem Unterschied, in der Gründerzeit hatte noch nicht fast jede Familie ein Auto. Darüber hinaus wollen die Wohnungsunternehmen, dass die Bauleitplanung zur Schaffung von Wohnbauland beschleunigt, sowie die Energiesparverordnung überarbeitet wird, um den Neubau nicht weiter zu verteuern. Letzteres geht dann allerdings zu Lasten der Umwelt.
Binnen- und Zuwanderungen erhöhen den Druck auf den Wohnungsmarkt. Aber die herrschende Politik in Deutschland ist nur damit beschäftigt, die Abschiebung der von Krieg und Armut gebeutelten Flüchtlinge zu organisieren. Die konservative Regierung kann sich Migration nicht als Chance vorstellen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten z.B. beträgt der Anteil der Migranten an der Bevölkerung über 70 %, ohne die der wirtschaftliche Aufschwung dort nicht realisierbar gewesen wäre. Auch die USA galt als das Einwanderungsland schlechthin. Hierzulande müssten nicht nur Wohnungen, sondern auch Arbeitsplätze geschaffen werden, wozu sich die Konservativen nicht in der Lage sehen. Auch die Finanzierung wäre kein Problem, wenn die Konservativen bereit wären heilige Kühe zu schlachten, um z.B. den unermesslichen Reichtum in Deutschland zu besteuern. Was Deutschland braucht, sind nicht nur neue Gesetze und Verordnungen, sondern zuerst eine neue Politik.
Inzwischen treibt die Wohnungsknappheit die Immobilien- und Mietpreise in die Höhe. Vor allem bei Neuvermietung wird voll zugeschlagen, da hilft auch keine Mietbremse. In Berlin stiegen die Nettokaltmieten zwischen 2004 und 2014 um fast 57%, während das Einkommen um gerade mal 17% stieg. Dass in Berlin die Mieten noch relativ moderat seien ist nicht korrekt, wenn man diese mit dem Einkommen ins Verhältnis setzt. Aus dieser Sicht ist in Berlin die Mietbelastung etwa genauso hoch wie in München, weil das durchschnittliche Einkommen in Berlin wesentlich niedriger als in München ist. In Berlin müssen durchschnittlich 21 % des Einkommens für die Miete aufgebracht werden.
Das Niveau der Immobilienpreise liegt in Deutschland mehr als 10 % über dem langfristigen Durchschnitt. Seit 2010 steigen die Immobilienpreise schneller als die Mieten. Das Platzen der Immobilienblase hat in den USA die letzte große Weltwirtschaftskrise 2007 eingeleitet. Auch da lag das Niveau der Immobilienpreise an der Obergrenze von 10%.

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