In Deutschland lief gerade ein Film über Kenia an, den ich leider nicht sehen kann, weil ich seit 8 Monaten dorthin auf dem Landweg unterwegs bin. In dem Film „Paradies: Liebe“ von Ulrich Seidl geht es um Prostitution. In diesem Fall von gereiften Frauen aus Deutschland, die in einem kenianischem Hotel Liebe suchen. Aber alles kostet Geld, vor allem die Illusion, begehrt zu werden. Der Regisseur meint, In Kenia funktioniert alles nur über das Geld. Nur wer Geld hat, kann dort (wie hier) überleben. Als weißer Europäer in Kenia gilt man bei Einheimischen als jemand, der Geld hat und so wird man auch behandelt. Eine Erfahrung, die ich sehr gut nachempfinden kann. Als Autofahrer wird man automatisch mit einem Millionär verwechselt. Millionen Afrikaner halten die Hand auf und wollen einen Dollar.
Der Film zeigt aber auch zwischen den Streifen: Auch in Afrika ist der Kapitalismus längst angekommen, liegt offen in seinen Funktionsmechanismen. Besonders in Afrika wird das Reichtums-Gefalle in dieser Welt deutlich. Die nackte Armut zeigt sich aber in Afrika nicht anders, als im reichen Norden, nur eben auf einem anderen Level. Die Afrikaner holen sich auf halb legale Weise etwas von dem zurück, was ihnen auch durch die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Nord und Süd genommen wurde. Die Umverteilung verläuft im Halbdunkel und durch offene Korruption. Der Tourismus bringt auch eine neue Form Kolonialismus und festigt letztendlich seine Macht.
Aber nicht nur Kolonialismus, sondern auch Apartheid lebt in neuer Form weiter. Eine Erfahrung, die ich im Süden Afrikas machen musste. Südafrika ist ein Vielvölkerstaat. Multikulti, wie in keinem anderen Land Afrikas. Die weiße Bevölkerung, Einwanderer vor allem aus Niederlande und Deutschland, bilden die Minderheit. Südafrika, aber auch Namibia sind herrliche Urlaubsländer, was vor allem Weiße nutzen. Aber Vieles erinnert noch an Apartheid. Und mit dem herrschenden politischen System haben die Länder noch einen langen Weg bis zur vollen Gleichstellung vor sich. Denn die neue politische Führung kümmert sich zwar um Verbesserung der sozialen Sicherheit, insbesondere der Schwarzen, nicht aber um Chancen-Gleichheit. D.h. die Apartheid ist abgeschafft, aber die alten Einkommens- und Vermögens- und vor allem Eigentumsverhältnisse bleiben unangetastet. D.h. die Verhältnisse zwischen Arm und Reich, oben und unten, Schwarz und Weiß werden zementiert. Wie im Deutschland nach der Wiedervereinigung, nur auf einem anderen Niveau und ohne Schwarz und Weiß. Was jeder Tourist in Afrika erlebt, ist die relative (aus der Sicht des Westens) Rückständigkeit und zum großen Teil die fehlende Bildung der Schwarzen. Was aber viele ausblenden, ist, dass man das nicht losgelöst von den gesellschaftlichen Ursachen sehen kann: Vor allem die Kolonialisierung, Sklaverei und Apartheid bis in die jüngere Vergangenheit. In den USA wurden Schwarze Afrikaner 245 Jahre lang versklavt. 1865 wurde die Sklaverei mit einem Verfassungsartikel beendet. (In Washington ist der Artikel in Stein gegossen, hallo Stef). Der US-Regisseur Tarantino vergleicht die Verbrechen der US-Gründerväter nicht nur an den schwarzen Afrikanern, sondern auch den Völkermord an den Ureinwohnern Amerikas mit den Verbrechen der Nazis an den Juden. Sein Film „Django Unchained“ läuft gerade in Deutschland an.
Bis heute haben sich viele Weiße in Afrika noch nicht vom Geist der Vergangenheit gelöst, viele Schwarze haben sich noch nicht völlig befreit vom Geist der langen Unterdrückung. Hinzu kommt, dass gesellschaftliche Chancengleichheit im Süden Afrikas noch lange nicht erreicht ist. Zumindest nicht für die Masse, denn es gibt auch hier schon viele Neureiche, auch unter den Schwarzen. Für mich ist die soziale Ungleichheit oder Ungerechtigkeit auch eine Form der Apartheid. Die Armen sind zwar keine Rasse, werden aber in der ganzen Welt durch das Reichtums-Gefalle von Vielem, mehr oder weniger, ausgeschlossen.