Panama Papers, Aufklärung? Wutbürger!
Panama Papers, Aufklärung? Wutbürger!

Panama Papers, Aufklärung? Wutbürger!

Die Aufklärung über das Weltwirtschaftssystem nur für die Superreichen ist richtig und wichtig. Die Art und Weise der ersten Veröffentlichung der Panama Papers ist aber wieder mal ein Lehrstück in Sachen bewusst gesteuerter, selektiver „Aufklärung“. Wer sich die Cui bono Frage stellt, bekommt bald zur Antwort, dass dies Teil des Informationskrieges ist und weniger mit investigativen Journalismus zu tun hat. Kein Wunder, denn das Internationale Konsortium investigativer Journalisten wird vom Center for Public Integrity in Washington betrieben. Financiers sind die traditionellen Gutmenschen des Kalten Krieges: die Stiftungen Carnegie, Ford und Rockefeller, sowie auch der Geldgeber der „bunten Revolutionen“ wie in der Ukraine, sowie der Spekulant George Soros. Die Panama-Aufregung dürfte somit auch ein Gegenschlag für die Kritik der vergangenen Jahre an US-Konzernen sein, die in Europa fast keine Steuern zahlen.
Es ist herrschaftskonformer Populismus, wenn Russlands Staatschef Putin ins Zentrum gerückt wird, der in den geleakten Daten gar nicht vorkommt. Mag sein, dass an den Unterstellungen etwas dran ist, denn der eigentliche Zweck der Briefkastenfirmen ist ja, die wahren Hintermänner zu verschleiern. Wie üblich werden bei der selektiven Aufklärung die wahren Verhältnisse verschleiert, wenn z.B. die 62 asozialen Superreichen in der Veröffentlichung der Panama Papers verschont werden, die mehr ihr Eigentum nennen, als die Hälfte der gesamten Menschheit.
SchattenfinanzindexDie Frage, wem das politisch gestützte System der legalen Steuervermeidung dient, muss gestellt werden. Die obszöne Reichtumsmehrung ist immanenter Bestandteil des Kapitalismus. Deutschland ist laut dem Tax Justice Network (eine internationale Nichtregierungsorganisation, die sich für eine progressive Verteilung der Steuerlast und für Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten einsetzt) unter den Top Ten der für Schwarzgeldkonten und Steuerhinterziehung attraktiven Staaten. Fünf  Plätze vor Panama.
Vielleicht kann deshalb das eine Prozent der Superreichen gar nicht in den Panama Papers gefunden werden, denn viel von dem Schwarzgeld, das früher in die Schweiz oder auf die Bahamas floss, wird nicht nur in Panama versteckt. Die größten Steueroasen der Welt sind die Vereinigten Staaten (z.B. US-Bundesstaaten Delaware, Nevada oder Wyoming), Großbritannien, Deutschland usw.. Die Industriestaaten  machen es Steuerhinterziehern und Geldwäschern besonders einfach, eine Scheinfirma zu gründen. Sie haben es den dazugekommenen osteuropäischen, kapitalistischen Staaten erst vorgemacht. Firmen wie Google, Apple oder Facebook verlegen ihre Firmensitze dorthin, wo die Steuersätze am niedrigsten sind. Das ist legal. Aber was völlig legal ist, muss noch lange nicht legitim oder moralisch sauber sein. Briefkastenfirmen dienen insbesondere Reichen und Superreichen noch reicher zu werden, also Geld von unten nach oben zu pumpen. Kriminellen dienen sie, um Finanzströme aus dunklen Quellen zu verschleiern oder Rauschgifthändlern ihr schmutziges Geld reinzuwaschen usw.. Deshalb ist es zuerst notwendig die Steuergesetze zu ändern.
Relevant ist nicht, aus welchem Land der Steuerhinterzieher kommt, sondern dass es ihn mit staatlicher Rückendeckung überhaupt noch gibt. Weltweit. Dabei geht es auch nicht darum, ob der Finanzjongleur seiner Ehefrau die Mätresse verheimlichen will, oder ob der missratene Sohn um sein Pflichtteil gebracht werden soll, sondern letztendlich darum, ob sogenannte demokratische Staaten ihre verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht erfüllen können. Derzeit verliert allein Deutschland jährlich rund 100 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch Steuerhinterziehung. Immer mehr Vermögende entziehen sich der Pflicht zur Finanzierung des Gemeinwesens, während die meisten abhängig Beschäftigten brav ihre Lohnsteuer zahlen. Jahrelang hat die Bundesregierung praktisch nichts gegen Steuerflucht und Steuerbetrug unternommen. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Wer soll da nicht zum Wutbürger werden?
99 % der Weltbevölkerung hätte wirklich Grund aufzuschreien, wenn es von diesen die Welt zerstörenden Verhältnissen hört. Aber das passiert nicht. Stattdessen schreit der unwissende oder falsch informierte Wutbürger in Europa auf, wenn es um Flüchtlinge geht. Vielleicht gehört es ja zum Thema, denn diese nach unten tretenden Wutbürger gehören ja zum Teil der Weltbevölkerung, denen nur der kleinste Rest des Vermögens zugeteilt wird. Man könnte Verständnis für Sie aufbringen, wenn sie nicht unfähig wären zu erkennen, dass nicht Flüchtlinge die Ursache an ihrem Los sind, sondern die asoziale Ungleichverteilung in der Welt, an dessen Veränderung die Regierungen, die Etablierten, die Eliten, wie auch der Medien -Mainstream  nicht das geringste Interesse haben.
Die intransparenten Steueroasen zerstören das Vertrauen in die Marktwirtschaft. Nach einer Allensbach-Umfrage assoziieren Menschen mit dem Begriff Marktwirtschaft kaum mehr als mit einem staatlich organisierten Wirtschaftssystem. Der Anteil derer, die die Gesellschaft für ungerecht halten steigt, mittlerweile sind es 65%. Damit einher geht ein erhebliches Misstrauen gegenüber der freien Wirtschaft. Einerseits nimmt die Systemkritik zu, andererseits hält sich immer noch die Meinung, das Wirtschaftssystem sei leistungsfähig und effizient. Ist es auch, vernachlässigt man mal die Systemfehler, die das System selbst zerstören. 72% der West- und 77 % der Ostdeutschen sind der Meinung, dass die internationalen Finanzmärkte Schuld an der wachsenden sozialen Ungleichheit sind.
Keineswegs zwangsläufig geht aber die Vertrauenskrise mit einem Erstarken der Linken einher. In Zeiten von Flüchtlingskrise, Pegida, AfD und Anschlägen auf Asylunterkünfte nimmt Systemkritik auch von Rechten zu. Höchste Zeit also, dass die Geschäfte der Geldschieber gestoppt werden und der Kapitalismus, sorry, die Marktwirtschaft gerettet wird. Selbst die CSU kommt inzwischen daher wie Attac im Trachtenanzug und gewinnt damit noch Popularität. Frei nach dem Motto: Putin, dieser elende Schurke! Jetzt macht er uns auch noch unsere schöne Marktwirtschaft madig.
Aber die Auswertung von 2,6 Terabyte mit 11,5 Millionen Dokumenten und 214.000 Briefkastenfirmen braucht seine Zeit bis sich herausstellt: Nicht Putin, der Premier des kleinen Islands oder chinesische Funktionäre sind das Problem, sondern vor allem der Kapitalismus in Europa und den USA. Der globale Kapitalismus produziert extreme Ungleichheiten und ermöglicht es den Vermögenden ihr Geld systematisch über Briefkastenfirmen mithilfe des Staates, der Banken und Anwaltskanzleien vor dem Steuerzugriff zu schützen. Oder mit Worten Bernie Sanders zu sprechen: „Kinder sollten nicht hungern müssen, weil Milliardäre Steueroasen nutzen, um die Zahlung eines fairen Steueranteils zu vermeiden“.

 

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