Am nächsten Tag verlasse ich die Grenze Marokkos, wenn man mal berücksichtigt, dass Westsahara zum großen Teil von Marokko völkerrechtlich besetzt ist. Das zu erwähnen halte ich für notwendig, weil meine Straßenkarte dieses Detail vernachlässigt. Daher ist von einem Grenzübertritt nicht viel zu spüren, abgesehen von den zahlreicher werdenden Polizei-Kontrollpunkten, wo ich regelmäßig angehalten und registriert werde. Ein Polizist in Zivil forderte mich auf, ihn zu beschenken. Als er feststellte, dass nichts zu holen ist, zog er wie ein beleidigtes Kind zum nächsten Fahrzeug. Auch Kinder verhalten sich wie schon in Marokko ziemlich dreist, wenn wir das Betteln um Dirhams nicht belohnen.
Der Abstand zwischen den Orten wird immer länger, die Gegend immer trostloser: Flaches Land, soweit das Auge im Dunst reicht, meist absolut trockener Geröllboden. Selten mal einsame Hütten und noch seltener mal ein Mensch zu sehen. Wenig Verkehr, davon aber meist LKW: Transport ins besetzte Land. Die LKW´s auf der einspurigen Straße, die ebenfalls um die Hundert fahren, zu überholen ist jedes Mal wie ein Faden ins Nadelöhr zu fädeln. Und wieder der Gedanke: nur nicht ausgerechnet hier in der menschenfeindlichen Landschaft stehenbleiben, wegen einer Panne. Der Blick über die Steilküste, an der hunderte Kilometer endlos langen Straße, lohnt sich.
In El Marsa, nahe Laayouone, der Hauptstadt der Sahrauis, finde ich nur ein Hotel. Aber dort stehen mehrere Fernseher, die Räume sind voll besetzt und ich kann das Spiel gegen Spanien sehen. Alle schreien in dem noch vor nicht langer Zeit von Spanien besetztem Land für Spanien, was erst nach Elfmeterschießen für Portugal verloren ist. Aber das will ja nichts zu bedeuten haben. In Deutschland halten sich ja auch z.B. Linke und Ossis bei Jubelfeiern für Deutschland zurück, seit der Satz „Wir sind das Volk“ einfach durch den fast identischen Satz „Wir sind ein Volk“ ausgetauscht wurde und damit den anfänglichen Sinn ins Gegenteil umschlagen ließ, also vom Radikaldemokratischen ins Nationalstaatliche.
In der Absicht, von der ich schon bei der Planung ausging, mich nicht lange in dem Wüstenstreifen aufzuhalten, geht es am nächsten Tag weiter in Richtung Mauretanien. Ich schaue mir Camps unterwegs an und mache dazu auch einen Abstecher zu einem Wüstencamp. Die paar Kilometer durch die Wüste erinnern mich an die Schotter-Waschbrett-Piste in der Mongolei. In Tarfaya sehe ich das Schiff im Hafen mit spanischer Geschichte, welches vielleicht gelegentlich nach Europa fährt. Nur etwa hundert Kilometer entfernt von hier: die kanarische Insel Fuerteventura, auf die ich mal als Pauschaltourist geflogen bin. Oder war es Gran Canaria? Jedenfalls war es doch ein ganz schön langer Flug. Bin ich das diesmal alles gefahren? Das hat Barbara sicher auch beim Rückflug gedacht. Ich habe Rückenwind und bin froh, dass die Straße noch nicht mit Wüstensand zugeweht ist, und wenn, dann auch gleich wieder frei gemacht wird.
Ich fahre vorbei am Hafen und an der Fabrik, von dem aus Phosphor exportiert wird und sehe das längste Förderband der Welt, auf welchem der Phosphor transportiert wird. Die Phosphorvorkommen hier zählen zu den weltweit größten. Von dem Reichtum des Landes profitieren nicht die Einheimischen, sie sehen nicht viel davon. Viele von ihnen sind gezwungen z.B. Touristen anzubetteln. In dem Wissen halte ich es aus, dass ich das Problem nicht verändere, wenn ich ihrem Betteln nachgebe.
Da ich kein oder kein geeignetes Camp finde, fahre aber durch bis Dakhla, eine Oase in der Wüste. Der Gegend ist begehrt von Wind- und Kitesurfern. Die riesige Flachwasser-Lagune ohne große Wellen bietet ideale Bedingungen für Kitesurf. Früher hätte ich mir gleich mal einen Schirm und Ski ausgeliehen. Aber ich glaube, man braucht erst mal ein paar Übungsstunden. Mit einer jungen Münchnerin, die Meister in dieser Sportart werden und ihr Abitur nachholen will, kann ich ein paar Worte in Deutsch wechseln. Abends in Dakhla war ich der Einzige, der in einem voll besetztem Café für das Tor der Deutschen gegen die Italiener gejubelt hat.
Am Auto lasse ich das Rücklicht reparieren. Am besten Hotel in der Stad, in dem es auch Bier zu kaufen gibt, stehe ich neben einem UN-Fahrzeug. Es erinnert an den Jahrzehnte andauernden Konflikt in diesem Land, den man als Tourist schnell aus dem Auge verliert (s. dazu mehr im Artikel „Meine Weltsicht“). Manche sehen ihn erst gar nicht. Abends auf dem Camp bekomme ich Hummer und Kalamare ans Auto serviert. Sehr lecker.
Dakhla liegt fast genau auf Höhe des nördlichen Wendekreises (etwa 24° nördlich des Äquators). Dort erreicht die Sonne am 26. Juni ihren höchsten Stand um dann in Richtung der südlichen Halbugel zurückzukehren. Ich ziehe dann immer mit der Sonne mit. Wenn die Sonne am 21.September den Äquator erreicht, will ich etwa in Angola sein. In Deutschland wird es dann Herbst. Wenn die Sonne am 21. Dezember den südlichen Wendekreis erreicht, habe ich die Rückfahrt bereits begonnen und bin etwa in Höhe Simbabwe. Wenn in Deutschland am 21 März der Frühling beginnt, will ich wieder in Höhe des Mittelmeeres sein. Wie ich von da aus zurück komme, weiß ich noch nicht. Geplant ist die Reise um das südliche Mittelmeer über Ägypten, Tunesien, Libyen und Algerien. Aber das steht noch in den Sternen. Die Asientour ( s. www.asien.blogger.de ) haben wir auf dem Landweg in Alexandria beendet, d.h. wegen des Krieges gegen Libyen beenden müssen.
In Dakhla bleibe ich 4 Nächte im Camp, an einem der schönsten Strände.
Die Zeit nutze ich, um die defekte Kühlbox reparieren zu lassen und abends Fußball in der Stadt zu sehen. Das mit der Box bleibt leider vergeblich. Der, der schon die Kupplungs-Steckdose repariert hat, zu einem Preis, zu dem ich 2 neue Stecker bekommen hätte, meinte ich solle zur Reparatur der Box nach Agadir zurückfahren. Der nächste Reparateur, den ich per Fahrrad gefunden habe, sagte etwa das Gleiche. Er bot mir eine gebrauchte Kühlbox an, die 1. zu teuer und 2. die Sicherung nach 5 Minuten durchgebrannt war. Als ich die Box zurückbrachte, meine er, das Geld sei schon weg. Als ich laut wurde, war das Geld wieder da und ich schnell weg und froh mich nicht noch über einer 2. Schrott-Box zu ärgern. Meine Hoffnung verlagerte sich auf die nächsten großen Städte, um vieleicht eine neue zu bekommen. Ein Irrtum, wie sich leider herausstellen soll.
Zurück geht es wieder an der Lagune vorbei, an der die Kitesurfer ihre Camps haben. Dort treffe ich auch die Kiteserverin aus Bayern wieder, die dort den ganzen Tag trainiert.
Weiter geht es durch die Wüste in Richtung Mauretanien auf endlosen Straßen mit wenig Abwechslung. Erstaunlich, wie genügsam Kamele „weiden“. Wie schon in Asien zu bestaunen, auch hier wieder die „Glückstürmchen“, die die Straße säumen.
An der Grenzstation Marokkos in Westsahara nach Mauretanien suche ich noch jemanden, der mir den Rest an Dirham gegen mauritanische MRO tauscht. Etwa so viel, wie ich für eine neue Kühlbox noch hatte. Ein Grenzer gibt mir einen Tipp, wo ich den „jemand“ finde, denn Banken oder ähnliches gibt es hier an der Grenze natürlich nicht mehr. Hinter der Grenzstation werde ich wieder mit aller Deutlichkeit an den Krieg erinnert, der auch von Mauretanien aus um die Westsahara geführt wurde. Da Waffenstillstand herrscht, kümmert sich auch niemand um die Hinterlassenschaft. Zwischen den Grenzstationen, die ein paar Kilometer auseinander liegen, gibt es keine Straßenbefestigung, nur Fels und Sand. Eine katastrophale Piste, über die sich auch LKW quälen müssen. Kein Schild weist darauf hin, dass der Grenzstreifen vermint ist. Aber ich hatte davon vorher irgendwo im Internet gelesen, außerdem sah ich auch keine Möglichkeit die Piste zu verlassen und hatte auch nicht die geringste Lust dazu. Einige sind offensichtlich über eine Mine gefahren. Ein wahrer Autofriedhof entlang der Piste im Niemandsland.
Sorry, der Nietzsche-Gedanke s.von mir bei “ Weltsicht“ passt wohl besser auch hierhin!- Erstaunlich, dass du diese Mahlzeit verputzt hast; ich erinnere mich da an das, was ich dem Beduinen in Ägypten sagen sollte, dass du keinen Tintenfisch essen „musst“!?- LG, gute Weiterreise, unsere Gedanken u. Gebet begleiten dich überallhin, jederzeit.