Auch die neue rechtsgerichtete Regierung Israels Netanjahu/Lapid die im Januar neu gewählt wurde, hat kein Interesse an der Beendigung der Besatzung, sie erkennt die palästinensischen Rechte nicht an. Im israelischen Parlament gibt es 3 arabische Parteien, die aber insgesamt nur 7 der 120 Sitze einnehmen. 20 % der israelischen Bevölkerung sind israelische Staatsbürger arabisch-palästinensischer Herkunft. 84 % von ihnen sind sunnitische Muslime. Sie werden vom jüdischen Staat nicht als richtige Israelis anerkannt, weil sie keine Juden sind. Die israelische Regierung betreibt somit keine demokratische, sondern eine rassistische Politik. Es gibt 34 Gesetze, die palästinensische Bürger diskriminiert. Das meint Haneen Zoabi, die Israels Parlament seit 2009 angehört. Sie war die erste Frau, die auf einer arabischen Liste (Balad) in die Knesset gewählt wurde. Israel hat 86 % des palästinensischen Landes konfisziert, in dem Landraub und Siedlungsbau betrieben wird. Araber dürfen nur in 30 % der Territorien Israels leben. Die Verteilung der Ressourcen Wasser und Land erfolgt nur zugunsten der Juden. Palästinensische Araber erleben Israel als ein System von Apartheid wie einst in Südafrika. Die meisten der in den von Israel besetzten Gebieten lebenden Araber haben aus Protest gegen die Besatzung auf die israelische Staatsbürgerschaft verzichtet. Die israelische Demokratie sei die Beste in Nahost? Das trifft wohl erst zu, wenn in Israel für beide Seiten gleiche Rechte herrschen, für Israelis und Palästinenser. Israels Politik gegenüber seinen arabischen Staatsbürgern und gegenüber den Palästinensern im besetzten Westjordanland gleicht der eines Apartheid-Staats. Das meint auch die weltweit anerkannte US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Auch wenn der jüdische Staat Israel eine Art Lebensversicherung für Juden ist, so muss man die Politik des Staates infrage stellen können, ohne Antisemit zu sein.
Israel ist ein moderner Staat in einem relativ hoch entwickelten Land, vergleichbar mit den Verhältnissen im Westen. Als Tourist lernt man die Schattenseite der Besatzung im Reiseland Israels kaum kennen. Wenn man mal absieht von den zugespitzten Sicherheitsmaßnahmen Israels z.B. an den Grenzen, sowie von der auch für Touristen sichtbaren starken Präsenz der Armee, insbesondere in der Nagev-Wüste (Panzer, Überschallflugzeuge usw.) und sonstigen mit Waffen stark ausgerüsteten Sicherheitsbeamten. Sicher hat Israel aus der geschichtlichen Erfahrung heraus ein starkes Interesse an Sicherheit. Aber was Israel verkennt, ist, dass sich seine Sicherheit erhöht, wenn es die Besatzung palästinensischer Gebiete beendet und die jüdischen Siedlungen räumt.
Und wie sehen das die Israelis? Im 46. Jahr nach dem Sechstagekrieg, bei dem Israel unter anderem die palästinensischen Gebiete Gaza, Ostjerusalem und Westjordanland besetzte, sind laut einer Umfrage 92 % der Israelis dagegen, dass sich ihr Staat auf die Grenzen von vor dem Krieg zurückzieht, wie es ein UN-Beschluss von 1967 vorsieht. Ein kleiner, ideologischer Teil der israelischen Bevölkerung, lässt sich gegen jede Zweitstaatlichkeit mobilisieren. Die versöhnlichen Stimmen sind dagegen nicht nur uneins, sondern desinteressiert. Kaum jemand glaubt noch an Frieden. Die sozialen Probleme erschienen drängender. Die Oppositionsparteien haben im letzten Wahlkampf Fragen von Siedlungspolitik, Krieg und Sicherheit nicht mal thematisiert. Würde die USA nach Abzug Israels aus den besetzten Gebieten für Sicherheit garantieren, würden mindestens zwei Drittel der israelischen Bevölkerung auch Druck auf ihre Regierung ausüben, meint der Nahostexperte Avi Primor. Seit dem Oslo-Abkommen von 1994 befürwortet eine Mehrheit in Israel die Trennung vom Westjordanland. Seit die meisten Araber zum Schluss gekommen sind, dazu verdammt zu sein, mit Israel zu leben, ist eine friedliche Lösung denkbar.
Trotzdem bewertet der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland die Friedenschancen im Nahen Osten zwischen Israelis und Palästinensern eher skeptisch. Vor allem steht ein israelischer Nationalismus dagegen, der von Machtwillen, Territorium und Stolz geprägt ist, und der bis Mitte des 20. Jahrhunderts auch im alten Europa herrschte. Seit dem Palästina-Krieg 1948, der im Grunde immer noch anhält, war es für die arabischen Nachbarn selbstverständlich, dass Israel von der Landkarte verschwindet. Nach dem Sechstagekrieg Israels war Frieden ohne jede Chance.
Israels Regierung vertritt vor allem die Mittelschicht. Aber auch die Unterschiede zwischen der jüdischen und der palästinensischen Mittelklasse sind groß. Etwa 40 % der palästinensischen Israelis sind arbeitslos. Viele Israelis denken heute wieder über Auswanderung nach. 2012 überstieg die Zahl der Auswanderer erstmals seit 1923 die Zahl der Einwanderer. Das hat wahrscheinlich eher wirtschaftliche Ursachen. Die Staatsverschuldung nimmt zu. Die neue Regierung betreibt auch eine Sparpolitik zulasten der kleinen Haushalte, um eine Pleite wie in Griechenland zu verhindern. Das monatliche Durchschnitts-einkommen einer israelischen Familie beträgt umgerechnet vielleicht 2.500,-€, (wenn man mal die Superreichen aus der Statistik rausnimmt), wovon etwa die Hälfte für eine 3-Zimmer-Wohnung benötigt wird. Der Rest reicht gerade mal, „um über die Runden zu kommen“. Durch die Umverteilung von unten nach oben (vor allem über Steuern), nimmt auch in Israel die Armut und der Unterschied zwischen Arm und Reich stark zu. Die Einwanderung von Juden nach Israel wird vom Staat mit mehreren Milliarden im Jahr gefördert. Wenn die Förderung wegfällt, wird es für Zuwanderer sehr eng. Denn Arbeit zu bekommen, ist ganz schwer. Durch Zuwanderung aus der früheren Sowjetunion ist der Anteil russischsprachiger Juden auf 20 % der jüdischen Bevölkerung gestiegen. Sie sind die größte Minderheit. Ihnen verdankt Israel eines der dichtesten medizinischen Versorgungssysteme weltweit. Dass der Lebensstandard trotz allen Wirtschaftswachstums sinkt, hat seine Gründe vor allem in einer öffentlichen Hand, die ihre Mittel zuerst in drei Bereiche steckt: Siedlungen, ihren Schutz und deren ultraorthodoxe Bewohner, die weder dienen (in der Armee) noch arbeiten, meint der Vorsitzende der israelischen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Zu Israel 4/11 siehe auch: http://asien.blogger.de/topics/Seine+Weltsicht/