Vor 25 Jahren wurde der legendäre Präsident Burkina Fasos, Thomas Sankara, brutal ermordet. 4 Jahre vor seinem Mord setzt der charismatische Hauptmann die Regierung in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, ab und ruft die Revolution aus. In diesen 4 Jahren wird Sankara zu einer bedeutenden politischen Figur seiner Zeit und zu einem der schärfsten Kritiker des Imperialismus und gefeierter Anführer der Organisation Blockfreier Staaten. Seine visionäre Sozial- und Wirtschaftspolitik wurde das Herzstück seiner Revolution. Unter Sankara wurde die wirtschaftliche Elite des Landes enteignet, die einen großen Teil des Ackerlands und der Immobilien kontrollierte. Die Felder wurden den Kleinbauern zugesprochen. In den Städten wurden Sozialwohnungen errichtet, die durch eine Sondersteuer auf Mieteinnahmen finanziert wurden. 1985 wurden per Dekret alle Mieter von Mietzahlungen befreit.
Auf internationaler Ebene wollte Sankara Burkina Faso vollständig vom ehemaligen Kolonialherren Frankreich unabhängig machen. Er suchte Anschluss an die Sowjetunion und an Kuba, dessen Revolution er bewunderte. Entwicklungshilfe war ihm zuwider, denn sie war für ihn gleichbedeutend mit Abhängigkeit und Fremdbestimmung. Um sich von Zahlungen aus dem Ausland unabhängiger zu machen, versuchte Sankara dem Land eine industrielle Basis zu geben. Um die einheimische Textilindustrie zu stützen, mussten alle Beamten während der Arbeit Kleidung aus Burkina tragen. Für einen sozialistischen Präsidenten untypisch, förderte er auch die Privatwirtschaft, eröffnete Gewerbegebiete und versuchte die Infrastruktur des Landes zu verbessern. Die Programme zeigten Wirkung: Vier Jahre nach Sankaras Machtübernahme war das Land praktisch von Nahrungsmittelimporten unabhängig. Unter Sankara existierten solche Phänomene wie Korruption, Veruntreuung von Staatseinnahmen, oder Vetternwirtschaft nicht. Sankara schaffte viele der Privilegien des aufgeblähten Beamten- und Funktionärsapparats ab. Staatsangestellte mussten jedes Jahr ein Monatsgehalt in einen Staatsfonds spenden und Sankara ließ alle luxuriösen Dienstwagen der Regierungsbeamten verkaufen. Der Renault 5, das damals billigste Auto in Burkina, wurde zum allgemeinen Dienstwagen erklärt, auch für den Präsidenten selbst. Er war seiner Zeit weit voraus. Seine Projekte zum Umweltschutz und die Alphabetisierungs- und Impfkampagnen gelten heute noch als vorbildlich und waren überwiegend erfolgreich. Die Rechte der Frauen waren ihm ein besonderes Anliegen: Als eines der ersten Länder Afrikas verbot Burkina Faso die Beschneidung von Mädchen, ließ Frauen zum Dienst in der Armee zu und besetzte mit ihnen gezielt Spitzenpositionen in der Politik und staatlichen Unternehmen. Sankara hat während seiner Präsidentschaft Kino, Film und Fernsehen zu einem Allgemeingut für die Bevölkerung gemacht. Heute ist Burkina Faso ist eins der ärmsten Länder der Welt, gehört aber im Bereich Kino zu den führenden Ländern Afrikas. Alle 2 Jahre findet das „Panafrikanische Festival für Film und Fernsehen“ in Ouagadougou statt. Es ist das älteste und immer noch bedeutendste Festival des afrikanischen Kinos.
Sonst ist von den meisten seiner Reformen heute nicht mehr viel übrig. Mit Sankara starb auch seine Revolution.
Aber das Scheitern einer aufgeklärten und progressiven Politik in Burkina Faso ist auch durch die Fehler Sankaras selbst zu erklären. Das Regime, das aus dem Putsch vom 4. August 1983 entstanden ist, war ein Militärregime mit militärischen Führungsmethoden. Es gab keine unabhängigen Gewerkschaften und Jugendverbände. Über alles wurden die „Komitees zur Verteidigung der Revolution“ (CDR) gestülpt. Die Veränderungen, die Sankara durchsetzte, gingen für viele Menschen zu schnell und waren ihnen zu radikal. Burkinas traditionelle Herrscher zu entmachten, musste so scheitern. Auf dem Land hatte ein hierarchisches Netzwerk aus Königen und Grundherren noch erheblichen Einfluss. Für Sankara waren sie nur eine Quelle der Verdummung. So machte er sich diese mächtige Elite und ihre Unterstützer zu Feinden.
Heute, ein Vierteljahrhundert nach Sankara, sehen viele Burkinabé das Land am Scheideweg. Für viele ist Burkina Faso am Ende und ohne Perspektive. Ermordet wurde Sankara vermutlich von den Männern seines einst besten Freundes, Blaise Compaoré, des seitdem herrschenden Präsidenten. Die internationale Gemeinschaft schaute zu und es wurde deutlich, dass sie kein Interesse an einer selbständigen Entwicklung Afrikas hat. Ganz offensichtlich haben die reaktionären Eliten des Landes und Frankreich, die ihre politische Hegemonie in Westafrika wieder herstellen konnten, von der Entwicklung nach Sankara profitiert.
Unter Compaoré entwickelte sich ein System der Korruption und Vetternwirtschaft in Burkina. Hohe Posten in der Regierung vergibt der Präsident an Günstlinge, die seine Macht sichern. Minister und Abgeordnete nutzen Programme zur „landwirtschaftlichen Entwicklung“, um Kleinbauern von ihrem Land zu vertreiben und die Ackerflächen in private Plantagen für Zuckerrohr und Baumwolle zu verwandeln. Heute müssen selbst in guten Jahren 20% der Nahrungsmittel importiert werden. Die Goldförderung, der größte Devisenbringer des Landes, ist durchzogen von mafiösen Strukturen und regelmäßig werden Millionenbeträge aus der Entwicklungshilfe veruntreut. Die Elite zeigt ihren Reichtum offen, lebt in Villen und fährt in schweren Geländewagen.
Compaoré ist für westliche Mächte wie Frankreich und die USA ein Stabilisator. Er wird als Vermittler in innerafrikanischen Konflikten geschätzt. Lt. Verfassung darf der Präsident jedoch nur einmal wiedergewählt werden. Keiner weiß was nach ihm kommt, und Alternativen sind nicht in Sicht.
Was bleibt ist das Bild Che Guevara´s, wie hier in Lobito, Angola.
Nachtrag 10/2015
2014 jagten Massenproteste den Langzeitpräsidenten Blaise Compaoré aus dem Amt. Das Fass lief über, als er die Verfassung ändern wollte, um seine Macht weitere 15 Jahre zu sichern. Im Oktober 2015 sollen die ersten freien Wahlen seit 28 Jahren stattfinden. Der Widerstand gegen ein Regime, das 27 Jahre von Compaoré angeführt wurde, dauert an. Bénéwendé Stanislas Sankara, ein Cousin des 1987 ermordeten Präsidenten Burkina Fasos, Thomas Sankara meint, die wahre Revolution steht noch aus.