Die Fahrt über den Fluss nach Kinshasa ging schnell. Auch die Immigration verlief ohne Zwischenfälle. Bekannte Gesichter sehe ich nicht. Ein Beamter, den ich nicht darum gebeten habe, holt mir den Eintrittsstempel und verlangt Geld. Inzwischen muss mein kommentarloses „No“ sehr überzeugend klingen, denn er beharrt nicht darauf. Aber dann geht die Odyssee weiter, denn ich erfahre, dass der Freitag kurzfristig wegen der Konferenz aller französisch sprechenden Nationen in Kinshasa (Frankophonie) zum Feiertag erklärt wurde. Natürlich arbeiten die Beamten im Hafen nicht, im Gegensatz zum Rest der Nation. Hätte mir das „Mr. DeVito“ gesagt, ich wäre noch in Brazzaville geblieben. Das heißt, ich stehe in der brütenden Hitze, vollbepackt mit schweren Taschen auf der Straße und bin ziemlich am Boden zerstört. Ich versuche im Procure Sainte Anne (gegenüber der amerikanischen Botschaft), Treffpunkt der Traveller, ein Hotelzimmer zu bekommen, aber die sind auch dort wegen der Konferenz ausgebucht. Dort steht Uwe, ein deutscher Traveller aus Bayern mit seinem VW-Bus. Er hat Motorschaden und versucht diesen selbst zu beheben. Ohne Angolavisum weiß er nicht, ob und wie er weiterkommt. Das DRC-Visum hat er schon verlängert. Er musste sich hunderte Kilometer abschleppen lassen und hat hier schon ein Vermögen bezahlt. Die Kongolesen hätten ihn zum Rassisten gemacht. Solidarität in der Not kennen sie nicht, jedenfalls nicht mit Weißgesichtern. Ich nehme mal an, er meint nicht alles so ernst, aber ich kann ihn sehr gut verstehen und weiß, was er meint. Es ist die Mixtur aus Korruption und Demotivation, die das Leben in vielen Ländern Afrikas lähmt, und manchen Touristen zur Weißglut bringen kann.
Der Bayer kennt jemand, der kennt ein Hotel mit freiem Zimmer. Der nennt sich Professor und bringt mich zum Hotel. Er will 20 Dollar für seine „Hilfe“. Er bekommt ein Viertel, dann schmeiße ich ihn raus. Das mittelmäßige Zimmer handele ich auf 65,-USD runter. Um etwas Anderes zu suchen, fehlte mir die Kraft. Das Zimmer ist auf 25°C gekühlt, d.h. ich schwitze nachts das erste Mal seit Monaten nicht. Und ich habe Internetanschluss. Die zusätzlichen Kosten muss ich wohl oder übel als Kollateralschäden infolge der unberechtigten Ausweisung aus diesem Land abschreiben.
In Brazzaville stand bei der Immigration neben mir Gustav, ein schwarzer Österreicher, der ebenfalls nach Kinshasa wollte und beim Übersetzen half. Er gab mir seine Tel. Nr. Die habe ich, nach dem Kauf einer neuen Telefonkarte in Kinshasa angerufen und siehe da, innerhalb von 20 Minuten war er im Hotel und fragte, wie es mir geht. Er rief noch beim Zoll an, aber inzwischen war es Nachmittag. Aber er hatte eine Tel.Nr. bekommen, die er am Samstag anrufen sollte. Er erzählte mir, dass er gerade in Deutschland war und einen Bus gekauft hat. Den wollte er mir zeigen. Also fuhren wir mit seinem Auto durch die Stadt zu ihm. Es war ein riesiger Gefangenenbus, den er hierher verschifft hatte, um ihn weiterzuverkaufen. Anschließend gingen wir essen und es kamen noch einige seiner Mitarbeiter mit. Er erklärte mir, dass die Kongolesen alle Brüder sind. Man isst gemeinsam und anschließend zahlt immer einer alles. Das geht die Reihe um. Ich war gerade nicht dran. Er sagte noch, dass ich in der DRC sicher sein kann, die Kriminalität ist relativ gering. Anschließend brachte er mich wieder zum Hotel, und ……., er war beleidigt, als ich ihm Geld anbiete. Am nächsten Morgen, kurz nach acht, rief er an und sagte, wir fahren zum Hafen. Trotz Feiertag waren eine Menge Leute da, aber nicht die entscheidenden mit Stempel. Aber ich habe mein Auto gesehen, gut untergestellt, und weiß, bei wem ich es an Montag wo abholen kann. Er stritt mit den Immigration-Beamten, der meinem Pass in der Hand hielt. Ich sah schon schwarz. Wie immer stritten sie lautstark, eine Menge Leute, bei denen man nicht ausmachen konnte, wer jetzt das Sagen hat. Aber Gustav stritt für mich und sagte ihnen, dass sie einen Fehler bei meiner Ausweisung gemacht haben! Sie könnten nicht davon ausgehen, dass Deutsche nur Vertreter des Großkapitals, oder z.B. der Deutschen Bank sind. Unter politisch links verstehen sie z.B. Solidarität mit den Mittellosen, die auch hier den überwiegenden Teil der Bevölkerung ausmachen. Gustav, ein weltoffener Kongolese, mit österreichischem Pass, der keine 2 Staatsbürgerschaften haben darf, erweist sich als echter Freund.
Nach 4 Wochen Odyssee bekomme ich am Montag nach etwa 10 Büro-Stationen und etwa 2 km Fußweg in glühender Hitze endlich mein Auto zurück. Aber….. die Fähr- Firma schuldet mir noch rd. 350,-USD, die ich im Voraus zu viel an „Mr. DeVito“ gezahlt habe. Aber der hat wohl die Kontrolle darüber verloren. Die liegt jetzt im Verkehrsministerium, dem das Transportunternehmen ONATRA untergeordnet ist. Das hat den Vorteil, dass mir im Hafen keiner mehr auf der Tasche liegt, um weitere Hafen-Kosten (Desinfektion, Nachwiegen usw.) einzufordern. Andererseits muss das zurück zu zahlende Geld alle Instanzen im Ministerium durchlaufen, und das kann dauern.
Über Jean-Louis höre ich, dass Mr. DeVito Probleme in seiner Firma bekommen hat. Er bringt einen Teil des Geldes nach Kinshasa, wo ich es abholen kann. Dort bekomme ich den Vorgang auch schriftlich, d.h. 195,-USD sind noch offen. Aber ich habe keine Zeit darauf zu warten, weil ich lt. Visum spätestens am 21.10. in Angola eingereist sein muss. Also schicke ich Jean-Louis eine Vollmacht nach Brazzaville, um das Geld in Empfang nehmen zu können. Wir hoffen uns in Angola noch mal zu treffen.
Ich bleibe 3 Nächte im Hotel und übernachte dann wieder im Auto im Procure Sainte-Anne. Inzwischen schaue ich mich in Kinshasa etwas um. Dabei mache ich die Erfahrung, dass Überfälle und Raub nicht von der Straße, sondern die Kriminalität von der Polizei selbst ausgeht. Von der werde ich z.B. gestoppt, weil ich keinen Gurt umhabe. Soweit so gut, aber dann geht es schnell und ich werde auf einen Abschleppwagen gehievt. Wenn nur alles so gut funktionieren würde. Nachgeholfen wird mit Griff ins Lenkrad. Je mehr Protest angemeldet wird, desto handgreiflicher werden die Schlägertypen. Der Polizeihof ist nicht weit, und wenn ich meinen Schlüssel wiederhaben möchte, muss ich zahlen. Erst wollen sie 150,-, dann begnügen sie sich mit 20,- USD. Der, der den Schlüssel hat, will auch noch mal Money, Money. Und um nichts anderes geht es. Sie nutzen ihre Macht, um den Leuten über irgendeinen Vorwand direkt in die Tasche zu greifen, und alles geht ohne irgendwelchen Beleg über den Tisch.
Weiteres Beispiel: Als ich mit Uwe zu Gustav fahre, springt ein Polizist auf sein vor mir fahrendes Auto und will einsteigen. Grund unbekannt. Als noch 2 weiter Polizisten nachhelfen, hat Uwe keine Chance mehr. Erst als er zahlt, steigt der Polizist wieder aus. Aber es waren nur Kleinkriminelle in Uniform, die sich mit wenig zufrieden gaben. Den Vorgang zu fotografieren unterlasse ich lieber. Hier geht man für weiniger ins Gefängnis. Über Politik in der DRC werde ich deshalb auch erst schreiben, wenn ich das Land verlassen habe (s. im Blog „Afrika und korrupte Staatschefs“).
Obwohl das Fahren wegen der aufdringlichen Polizei kein Vergnügen ist, mache ich einen kleinen Ausflug in die nähere Umgebung zu einem See (Lac de Ma Vallee) und beobachte das Leben der Fischer.
Am Freitag den 19. treffe ich mich vor der Abfahrt in Richtung Angola noch mit Uwe und Gustav in der Stadt. Gustav will über seine Beziehungen versuchen, dass Uwe und sein Begleiter Jabril (ein junger Discjockey aus Marokko) ein Transitvisum in Matadi bekommen. Uwe könnte sich dann den Umweg über Lubumbashi um Angola herum sparen. Gustav hatte am Vortag über eine Bekannte ein Transitvisum bekommen. Er fährt über Angola nach Lubumbashi, weil es über die DRC nur sehr schlechte Pisten gibt. Mit Gustav verabrede ich mich und fahre voraus bis zur Grenze hinter Songololo. Im Grenzhof (Jamerie) übernachte ich und schaue mir noch das chaotische Treiben auf dem Markt an, der vor der Grenzstation jeden Freitag stattfindet.