Verschiffung Hamburg – Montevideo
Verschiffung Hamburg – Montevideo

Verschiffung Hamburg – Montevideo

Es gibt mehrere Möglichkeiten 1 Jahr mit einem Wohnmobil durch Amerika zu fahren: Ein Wohnmobil in den USA zu mieten ist wohl sehr teuer. Außerdem kommt man mit Mietautos nicht über die Grenze und in Südamerika sind Wohnmobile z.T. auch unüblich. Will man mit dem eigenen Wohnmobil, oder mit dem selbst ausgebauten Camper fahren, bleibt nur die Verschiffung per Container oder per RoRo-Schiff. Beides nimmt sich vom Preis nicht viel, da neben den Containerkosten noch Kosten für Flug und Hotel kommen würden. Ich entscheide mich für ein Frachtschiff von Grimaldi, welches neben der über Rampe zu erreichenden Transportfläche in 5 Frachtdecks noch Kabinen bietet. Diese werden u.a. von Seebridge und Mafratours angeboten. Die unter italienischer Flagge fahrende Grande Francia ist schon etwas in die Jahre gekommen, misst aber immer noch 214 m und fährt die etwa 13.000 km Seeweg mit bis zu 30 km/h. Vier Wochen dauert die Überfahrt nach Montevideo, incl. Hafenlandgänge. D.h. für eine Seereise muss man Zeit mitbringen. Aber wer die Seefahrt als Teil der gesamten Reise betrachtet, und für den der Weg das Ziel ist, kann die Seefahrt ein besonderes Erlebnis sein.
Zwei Millionen Deutsche reisten 2017 mit schwimmenden Unterhaltungstempeln über die Meere. Das Kreuzfahrtgeschäft boomt gerade. Manche Orte haben so viel Einwohner, wie Kreuzfahrtschiffe Kabinen. Die Folge: Schweröl verpestet Hafenstädte, Massentourismus bedroht Weltkulturerbe („Venedig-Syndrom“).
Passagiere auf einem Frachtschiff sind eher die Ausnahme. Natürlich fällt der Luxus auf einem Frachtschiff etwas bescheidener aus und die Passagiere haben sich dem Betrieb auf einem Frachter anzupassen. Der Preis pro Tag für Unterkunft mit Vollverpflegung und Transport des Vehikels beträgt etwa so viel wie eine Kabine auf einem Kreuzfahrtschiff (Innen, unteres Deck). Die Kabinengröße und der Ausgang ins Freie sind auf Kreuzfahrt- wie auch Frachtschiffen begrenzt, mehr oder weniger. Aber die Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf dem Schiff ist keine Freiheitsberaubung, da selbst verschuldet, oder besser: selbst so gewollt.
Das Frachtschiff hat 6 Doppel-Kabinen für Passagiere. Mit der Francia fahren nur 8 mit: 2 Pärchen aus Frankreich, die Haus und Hof verkauft haben und nun als Rentner im Wohnwagen durch die Welt reisen, wenn sie nicht gerade Kinder und Enkel besuchen. Ein Traveller aus Deutschland, mit 70 der Älteste auf dem Schiff, der im selbst ausgebauten Camper reist und sich seit der Rente nun Teil 3 der Weltreise (Amerika) vorgenommen hat, nach Asien und Afrika. Dann noch ein jüngerer Backpacker aus Schweden, der bei seiner Weltreise nur ökologische Transportmittel mit Schiff, Bus und Bahn nutzen will, sowie ein jüngeres Pärchen aus Spanien und Peru, das mit der Francia hin und zurück fahren will. Die 26-Mann-Crew kommt aus Italien und den Philippinen. Dienstsprache ist Englisch. Einer sozialen Hierarchie folgend, wie auf größeren Schiffen üblich, essen die Passagiere mit in der Offiziersmesse, in der der Käpt’n ein Master und der Messman ein Filipino ist.

Hinter der engen Nordseepassage bei Dover reißt der Telefonkontakt ab. Das Schiff verfügt über Satellit, aber nicht über Internet. D.h. für Smartphone-Nerds würden harte Entzugserscheinungen das Reisen zur Folter machen. Zwischen Marokko und den Kanaren gibt es für ein paar Stunden noch mal spanischen, also europäischen Funkkontakt. Wie auf Befehl finden sich alle (Mannschaft und Passagiere) auf Freideck ein und suchen den Kontakt zu ihren Familien. Danach ist Funkstille. SIM-Karten fürs Handy mit Internet für das jeweilige Land bekommt man nicht auf dem Schiff und auch nicht gleich bei Grenzübertritt, daher lohnt sich deren Anschaffung nur in Ländern mit längerem Aufenthalt.
Am 21. September erreicht die Sonne den Äquator und wechselt zugleich vom nördlichen Herbst in den südlichen Frühling. Der Winter fällt aus, denn auch diese Reise folgt der Sonne. Vier Tage später erreicht auf dem Weg von Dakar nach Rio auch das Schiff den Äquator. Die Uhr wird mehrmals eine Stunde zurückgestellt, wobei die Sommerzeit das Wirrwarr komplett macht, und hoffentlich im nächsten Sommer abgeschafft wird. Das Wasser läuft nicht mehr rechts rum, sondern entgegen dem Urzeigersinn aus dem Ausguss. Zu allem Überdruss schlingert das Schiff in 3 Dimensionen, wenn auch nur leicht, da das Wetter stabil bleibt. Reisetabletten oder Kotztüten werden nicht benötigt (Gott sei Dank).
Der Fahrplan ist ständig im Wechsel. Bei Abreise war noch unbekannt, dass das Schiff im Hafen von Dakar (Senegal) ankert und die Passagiere Ausgang bekommen. Selbst am Ankerplatz wird das Heck des Schiffes von der Besatzung bewacht um blinden Passagieren keine Möglichkeit zu bieten, sich an der Rampe zu verstecken. Vor der Verladung werden die Passagierautos versiegelt. Das Stadtzentrum gleich am Hafen ist weder groß noch spektakulär. Das Leben spielt sich auf der Straße ab, dort wo das Markttreiben stattfindet. Geschäfte gibt es kaum, die Geldautomaten funktionieren nicht.

An Einiges kann ich mich erinnern vom Afrikatrip. Die erschreckende Armut und die Hitze ist immer noch die Gleiche. Ich frage nach dem Weg, schon habe ich einen Guide am Hals. Ich sage, ich brauche keinen Stadtführer, aber er lässt sich nicht abschütteln, und begleitet mich zu einem lokalen Supermarkt. Dafür erwartet er einen kleinen Sack Reis für seine Familie, der umgerechnet etwa 5,-€ kostet und für ihn viel Geld ist. Für mich im Moment auch, da ich für die paar Stunden nicht viel getauscht habe. Das ist kein Betteln, sondern die blanke Armut. Aber nicht so schlimm wie der, der versucht dem Touristen in die Hosentasche zu greifen, weil der den Fotoapparat dort unvorsichtigerweise verstaut hat. Neu war auf dem Weg zum Novotel, wo Touristen mal schnell Geld tauschen können, der französische Supermarkt Auchan, der sehr stark von Sicherheitskräften bewacht wird, wie auch das Hotel. Die in Frankreich produzierten Produkte werden in Senegal billiger verkauft. Darunter leiden lokale Geschäfte und die Armut wird noch größer. Auch in Afrika wächst die Unzufriedenheit. Daraus entstand z.B. die panafrikanische Bewegung „Grande Marche“ (Großer Marsch), die sich seit 2016 mit jährlichen Großdemonstrationen nicht nur in Dakar für ein freies und autonomes Afrika ohne nationale Grenzen und mit einheitlicher Währung einsetzt. Diese Bewegung beruft sich u.a. auf Thomas Sankara, der in den 80er Jahren in Burkina Faso einen sozialistischen Staat aufbauen wollte und dabei Afrika in den Vordergrund stellte, also dem Eurozentrismus eine Absage erteilte. Die Bewegung erinnert gleichzeitig an die Kongo-Konferenz 1919, bei der europäische Kolonialisten Afrika unter sich aufteilten und fordert die Abschaffung der dabei willkürlich gezogenen Grenzen, die bis heute nachwirken. Sie sind Ursache für manchen Grenzkonflikt.

In Dakar ist es heiß, die Sonne brennt und machmal scheint es, verdunkelt der Ruß des Schiffsdiesels nicht nur das Deck, sondern auch die Wolken. Willkommene Abwechslung für Passagiere und Mannschaft der Grillabend, leider ohne Bier. Bei so wenig Auslauf wird der Fitnessraum fleißig genutzt. Die Mannschaft hat über Monate immer zu tun, auch auf dem Deck.

 

 


Für die Passagiere besteht der Tag aus Lesen, Ausgang an Deck, Spielen (z.B. Schach) und Sport. Das Essen ist fürstlich: 3 Mahlzeiten, Lunch und Dinner jeweils in 3 Gängen. Oft gibt es Fisch, auch Kalmare, die der Bauer (wie auch der Ossi) nicht kennt, aber trotzdem isst. Für die Mannschaft ist jeder Tag Schichtarbeit.
Ausflüge in Dakar, Vitoria, Paranagua und Zarate werden urplötzlich und ohne vorherige Information von der Crew angesetzt. In Rio und Santos fällt der Ausgang aus. Besonderen Eindruck macht Vitoria.

Beim Beobachten des Be- und Entladens der Francia im Hafen (insbesondere Rio) kann einem schwindlig werden. Nicht schnell aber unheimlich betriebsam läuft alles ab. Die Container schaukeln am Seil und eine Menge Autos roll en über die Rampe. Ein Wunder wenn da nichts durcheinander kommt. Wer einen Ameisenhaufen aus der Nähe betrachtet, sieht nur Chaos, und doch hat alles System. Der Container mit seinen genormten Maßen macht es möglich und hat den globalen Handel entscheidend vorangetrieben. Keiner kann die Lieferkette der Produkte in den Containern mehr durchschauen, aber alles erreicht sein Ziel. Bei den Porsches, die am Kai aneinander gereiht werden, ist wohl noch nachzuvollziehen, woher sie kommen.

Solange wir einen Ausflug in die Hafenstadt machen, kann ich nicht beobachten, ob nicht ausversehen mein Vehikel auch von der Rampe rollt. Da das Gitter zum Deck verschlossen ist und die Passagierautos versiegelt sind, ist der Zugang zum Auto, zumindest für die Passagiere, nur noch in Ausnahmefällen möglich. So kann ich auch das Fahrrad nicht nutzen, das lässt die Hafenbehörde nicht zu. Der Backpacker verlässt das Schiff in Rio. Angeblich ist das Verlassen des Schiffes in Rio mit dem Fahrzeug nicht möglich, d.h. wenn ich Rio noch sehen will, muss ich von Montevideo wieder Richtung Norden fahren. Das hat jedoch den Vorteil, dass ich, bevor ich in Richtung Süden fahre, die Sonne noch bis zum südlichen Wendekreis kommt, der etwa in Höhe Rio liegt. Denn am stürmischen Kap-Hoorn, kurz vor der Antarktis, kann es auch im südlichen Sommer wesentlich kälter werden, als am Nord-Kap im nördlichen Sommer. In Rio kommen wir abends mit Verspätung an. Aber der Zuckerhut macht beim Ein- und Auslaufen selbst noch als Schatten Eindruck.

 

In Santos bietet sich eine Sicht über die Stadt bis zur Francia im Hafen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurz vor dem Ziel noch ein Blick in den Maschinenraum. Es ist laut und heiß. Die Maschinen laufen jeden Tag rund um die Uhr, auch im Hafen. In den klimatisierten Zimmern bleibt davon nur noch ein Hintergrundgeräusch.

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