Jahrzehnte lang hielt Josip Broz Tito den Vielvölkerstaat zusammen, nachdem er die Partisanen im Krieg gegen das faschistische Deutschland und Italien geeint hat. Anschließend wurde die Monarchie abgeschafft und eine Föderative Volksrepublik (später Sozialistische Republik) gebildet. Dabei wurden die historischen Grenzen des Osmanischen Reiches zwischen den 6 Republiken wiederhergestellt. Kosovo war noch Bestandteil der serbischen Teilrepublik. Nach dem Tod Titos spitzten sich die nationalen Spannungen zu. Nach dem Zusammenbruch der „kommunistischen“ Staaten kamen in Jugoslawien nationalistische Separatisten an die Macht. Der Unmut über die serbische Vorherrschaft, das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle und die Hyperinflation machte sich Platz. Das Interesse an einem gemeinsamen jugoslawischen Staat war sehr gering.
Die Jugoslawien-Kriege sind vor dem Hintergrund der nationalistischen Spannungen, der verschiedenen Glaubensrichtungen und der äußeren Einmischung und Parteinahme, insbesondere durch die EU, zu sehen.
Die Muslime in Bosnien-Herzegowina, auch Bosnier oder Bosniaken genannt, bekamen unter Tito den gleichen Status wie die Serben und Kroaten und stellen mit 48 % die größte ethnische Gruppe in Bosnien-Herzegowina. Minderheiten sind z.B. Roma und Juden. Die Serben gehören dem orthodoxen, die Kroaten dem katholischem Glauben an. Viele Muslime slawischer Herkunft verstehen sich seit Tito eher als ethnische Gruppe im Sinne einer Nationalität, denn als Angehörige des Islam. Im sozialistischen Jugoslawien rückte das religiöse Leben in den Hintergrund, nichtsdestotrotz wurden die verschiedenen Religionen toleriert. Im zerfallenden Jugoslawien besann man sich auf die eigene Volks- und Glaubensgemeinschaft. Die Schuld für alle Probleme, wie die am Boden liegende Wirtschaft, gab man den jeweils anderen. Anfang der 90er Jahre bestimmten die sog. ethnischen Parteien das Geschehen. Proportional zum Bevölkerungsanteil hatten die Muslime, Serben und Kroaten jeweils ihre nationale Partei gewählt.
Die Eskalation spitzte sich zu, als der Westen (insbesondere die EU) die Separatisten anerkannte. Der Zerfall, gegen den sich der Staat Jugoslawien wehrte, begann 1991 mit dem 10-Tage-Krieg in Slowenien, den Kroatienkrieg bis Mitte 1995 und den Bosnienkrieg bis Ende 1995. Der Kosovokrieg bis Mitte 1999 war eine Folge der Kriege in Kroatien und Bosnien-Herzegowina, denen allein in Bosnien-Herzegowina weit mehr als 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Etwa 2 Millionen waren auf der Flucht. Die Nato, incl. Deutschland, bezog Partei gegen die Serben und für die Separatisten, und mischte sich direkt mit einem Bombenkrieg im Kosovo ein. „Es begann mit einer Lüge“ (s. WDR-Film und das späte Eingeständnis des Kanzlers Schröder). Der Westen behauptete, Völkermord sei zu verhindern. Dabei wurde die serbische Seite als Täter und die albanische Bevölkerung als Opfer in den Mainstream-Medien dargestellt. Der Krieg richtete sich auch gegen die Zivilbevölkerung. Die Vernichtungswut war nicht nur gegen Menschen der jeweils anderen Volksgruppe gerichtet, sondern auch gegen kulturelle und historische Vermächtnisse, wie z.B. gegen die Alte Brücke von Mostar. Dabei nahmen sich die Kriegsparteien nichts an Brutalität. Als die kroatische Armee die Serben z.B. aus Bosnien-Herzegowina vertrieb, schaute die Weltgemeinschaft weg, wie auch die EU. Dabei kam es zu kroatischen Übergriffen, Misshandlungen und Ermordungen an die serbische Zivilbevölkerung. Erst als die serbische Armee in der Nähe des kleinen Ortes Srebenica Massaker an Zivilisten verübte, mischte sich die Nato mit militärischer Intervention ein. Das sind die Fakten, die regelmäßig bis heute in den Mainstream Medien ausgeblendet werden. Mit dem Vertrag von Dayton wurde der Kriegs beendet. Bosnien-Herzegowina wurde ein Staat mit 3 Nationalitäten. Die Feindschaft zwischen den Volksgruppen ist damit nicht überwunden. Anfangs brachte eine scheinbare Kleinigkeit große Erleichterung für die Menschen in Bosnien-Herzegowina: Mit der Einführung neutraler Nummernschilder ergab sich eine Bewegungsfreiheit durch das ganze Land, welches noch tief gespalten ist. Nationalistische Kräfte haben das Sagen und legen der jeweils anderen Nationalität Steine in den Weg beim Wiederaufbau. Über die Aufteilung des jugoslawischen Vermögens, wovon Bosnien-Herzegowina 15 Millionen Dollar erhalten sollte, konnte man sich nicht einigen.
Am Ende zerfiel Jugoslawien in 7 Staaten, die alle nach Europa und in die Nato streben. Besonders in der Provinz Kosovo, die sich von Serbien abspalten will, schwelt der ethnische Konflikt weiter. Kosovo wird zwar von vielen Staaten, aber nicht völkerrechtlich anerkannt. Das verhindert Russland mit seinem Vetorecht in der Uno. Aber nicht weil sich Russland gegen den Westen stemmt, sondern weil der Westen Russland als unbequemen Partner zielgerichtet isoliert und wirtschaftlich mit Sanktionen in die Knie zwingen will. Gleiche Tendenzen sind aktuell auch gegen die linke Regierung in Griechenland zu erkennen, nur mit dem Unterschied, der Westen sitzt mit Griechenland in einem Boot. Wir dagegen (also die, die keine Macht vertreten), sollten erkennen, dass wir alle in einem Boot sitzen.
Hilfe kommt zielgerichtet für die einzelnen Glaubensrichtungen und verstärkt dadurch nur noch die vorhandenen Spannungen unter den Nationalitäten. Im Staat ohne eigene Nation gibt es auch keine einheitliche Sprache.
‚Heute gilt Bosnien-Herzegowina als ein Reiseland (s. auch Reiseführer von Marko Plesnik), obwohl die Spuren des 3 Jahre dauernden Krieges noch sichtbar sind. In Mostar stürzen sich wieder die Brückenspringer von der wiederaufgebauten Brücke in die Neretva und locken damit Touristen an. Allerdings gibt zu denken, dass erst im Herbst 2014 Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien per Gesetz als „sichere Herkunftsstaaten“ deklariert wurden. Allerdings sind dadurch die Zahlen der Flüchtlinge z.B. aus Serbien nicht gesunken. Nun fordert die CDU dieses Gesetz auch auf Kosovo und Albanien auszuweiten. Aus beiden Balkanstaaten haben in den vergangenen Monaten Tausende Flüchtlinge in Deutschland Asyl beantragt. Die CDU behauptet, das seinen nur „Wirtschaftsflüchtlinge“. Wohl eher ist es Teil des staatlichen Rassismus, wenn Flüchtlingen ihr Grundrecht auf ein individuelles und rechtsstaatliches Asylverfahren per Gesetz genommen wird. Rassisten kommen nicht nur dumm und pöbelnd auf der Straße daher, sondern sind auch in der Politik und den Behörden anzutreffen. Konservative Politiker, die sich gestern noch am Krieg gegen Serbien beteiligt haben, machen heute Stimmung gegenüber Flüchtlingen aus den Balkanstaaten, in denen ethnische Minderheiten diskriminiert werden, es keine effektive Strafverfolgung gibt und kein Schutz gegen Bedrohungen durch Blutrache, rassistische und homophobe Übergriffe. Zudem flüchten Menschen, weil sie von Diskriminierung und Armut bedroht sind.
Warum der Jugoslawien-Krieg an den Ukraine-Krieg erinnert
Die Sowjetunion und das sozialistischen Jugoslawien waren Vielvölkerstaaten. Nach deren Zerfall wurden alte ethnische Konflikte wieder hochgespült und von Nationalisten, sowie von außen instrumentalisiert. In der Ukraine- Krise spielten ethnische Konflikte anfangs weniger eine Rolle. Vielmehr waren es nationalistische Kräfte, welche nach Europa strebten und vom Westen nach allen Kräften befeuert wurden. Ethnische Konflikte eskalierten erst, als „Europa-Versteher“ in der Ukraine die ukrainischen Russen und Russland mit offener Feindschaft brüskierten. Als die Ukraine-Russen sich dann separierten, eskalierte der Konflikt und die Ukraine zog gegen ihr eigenes Volk im Osten des Landes in den Krieg. Wie schon im Jugoslawien-Konflikt mischt sich der Westen mit der Nato an der Spitze massiv ein und schlug sich auf die Seite einer Konflikt-Partei.
Der Unterschied in beiden Krisen: In der Ukraine steht der Westen nicht auf der Seite der Separatisten, wie in Jugoslawien, sondern auf der Seite der Nationalisten, die in der Ukraine nach Europa streben. Bisher hat sich die Nato noch nicht mit einem Bombenkrieg direkt eingemischt. Nato Truppen stehen aber schon kurz vor Moskau in Stellung. Angeblich, um vor der „Bedrohung Russland“ und westliche Werte“ zu schützen. Als wenn nicht Russland auch zu Europa gehören würde.
Die Gemeinsamkeiten in beiden Krisen: Wieder geht es dem Westen nicht um Menschenrechte, wie er vorgibt, sondern lediglich um die Durchsetzung eigener, eigentlich leicht zu durchschauenden Interessen. Und wieder geht es ihm lediglich um die Beseitigung nicht freiwillig auf seiner Seite stehenden, unbequemen Machthaber. Wie schon in den Kriegen des Westens nach „nein eleven“ gegen Afghanistan, Irak, Libyen und in Konflikten gegen Syrien und jetzt gegen Russland. Nach eigener Ideologie und trivialer Demagogie sind die „Bösen“ immer die Anderen, aber nie der Westen, der zur Durchsetzung eigener Interessen auch nicht vor Krieg zurück schreckt. Wie schon Serbien mit Sanktionen belegt und in die Isolierung gedrängt wurde, so geschieht das heute mit Russland. Oft führen Sanktionen nicht in die vom Erfinder gewollte Richtung. Russland wurde aus der G7 geschmissen und in die G9 gedrängt. Mit China und Russland als den treibenden Kräften entsteht mit der Shanghaier Organisation (Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan, sowie jetzt auch Indien und Pakistan) und den mit ihnen in BRICS vereinten Schwellenmächten (Brasilien, Indien und Südafrika) ein neues Machtzentrum. In einer multipolaren Welt wird dieses neue Machtzentrum der USA als alleinige Weltmacht zuehmend die Position streitig machen. Damit wäre der Versuch einer Einkreisung und Isolation Russlands kläglich gescheitert. Indessen wird Russland von den USA als „die größte Bedrohung für die nationale Sicherheit“ der eingestuft. Diese Rolle wurde der Sowjetunion auch zugeordnet. Also ging es im kalten Krieg nicht um die „Bedrohung durch den Kommunismus“, sondern lediglich um Vormachtstellung, wie noch heute.
Deutsche Verantwortung
Deutschland beteiligt sich an der militärisch flankierten Durchsetzung westlicher Interessen, an deren Spitze die USA stehen. Insbesondere die von der Nato geführten Kriege in Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen haben die Flüchtlingsbewegungen ausgelöst. Die USA sind davon kaum direkt berührt, nehmen aber die sich zuspitzenden Folgen in Europa billigend in Kauf. Aber auch Deutschland hat direkten Anteil an den Folgen der katastrophalen Außenpolitik der USA. Auf dem Balkan hat auch Deutschland in den 90er Jahren direkt Einfluss genommen, um die jugoslawische Föderation auseinander zu treiben, was in blutige Kriege mündete. Erstmals seit 1945 war Deutschland wieder direkt an Kriegshandlungen beteiligt. Die Lage in Kosovo ist ein direktes Ergebnis dieser Politik, samt dem anhaltendes Zerwürfnis der ethnischen Bevölkerungsgruppen und der noch immer fehlenden Lebensfähigkeit wirtschaftlicher und politischer Strukturen des Landes.
Kosovo ist das ärmste Land Europas mit einem jährlichen Bruttonationaleinkommen von rund 4.000 US-Dollar pro Kopf. Das Bruttosozialprodukt der Westbalkanstaaten einschließlich Kroatiens liegt noch immer 10% unter dem Niveau des Jahres 1989, als der Zerfall Jugoslawiens begann. Ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung und 50 % der Jugendlichen sind arbeitslos, Investitionen erfolgen spärlich, bei den 2 wichtigsten Handelspartnern, Deutschland und Italien, nach Produkten und Dienstleistungen ist verhalten, die staatliche Verschuldung steigt ebenso wie die Auslandsmigration, und die extreme Armut, Das ist das erbärmliche Armutszeugnis der nunmehr 25 Jahre währenden kapitalistischen Entwicklung in den ehemals sozialistischen Ländern Ex-Jugoslawiens, die vom Westen incl. Deutschland so gewollt war. Das Glücksversprechen des Kapitalismus ist auf dem Westbalkan nie eingelöst worden. Stattdessen arbeiten die Menschen dort mittlerweile zu Hungerlöhnen. Im vergangenen Juli lag der Durchschnittsnettolohn in Serbien bei umgerechnet knapp380 Euro. Das ist selbst bei Lebenshaltungskosten, die bei rund 60 Prozent von denen in Deutschland liegen, kläglich. Das einseitige exportorientierte Wirtschaftsmodell Deutschlands, das die Bundesregierung seit Jahren auch allen anderen Mitgliedern der Europäischen Union aufdrängt, exportiert neben den vielen Waren auch die Arbeitslosigkeit in die kapitalistische Peripherie. Das hat lange gut funktioniert. Doch nun kommen die Arbeitslosen als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge und Asylsuchende zu uns.
Armut oder politische Unzufriedenheit jedoch sind für das deutsche Grundgesetz, wie auch die Genfer Flüchtlingskonvention, keine Asylgründe. Daher erhalten nur 0,3 % der Schutzsuchenden aus Kosovo in Deutschland Asyl. Das betrifft auch die Roma-Minderheit, die in Kosovo unter besonders starker Diskriminierung leidet. Für konservative, deutsche Technokraten kommen sie ja aus „»sicheren Drittstaaten“,